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Catcalling – (k)eine romantische Ehrverletzung?
14. Februar 2021

Catcalling – Belästigung oder bloße Tändelei?

Nikolas Brockow –

Abstract

In diesem Artikel soll es um das Thema „Catcalling“ gehen, und darum, ob dieses strafbar sein sollte. Insbesondere soll geklärt werden, inwieweit solches Verhalten nach den bestehenden Normen strafbar sein kann, etwa als Beleidigung gemäß § 185 StGB. Des Weiteren stellt sich sodann die Frage, ob darüber hinaus ein eigener Straftatbestand für das Phänomen des Catcallings geschaffen werden sollte. Der Verfasser legt – untermauert durch Argumente – dar, ob der Gesetzgeber insoweit tätig werden sollte oder nicht.

Einleitung

In jüngster Zeit gibt es immer wieder Diskussionen um Verschärfungen des Sexualstrafrechts. Ereignisse wie die Kölner Silvesternacht, die Skandale in den USA um Harvey Weinstein und Jeffrey Epstein, die „#Metoo“- Bewegung, aber auch die unabhängig von diesen Ereignissen generell geführte „Sexismus“-Debatte tragen dazu bei. Beispielsweise ist erst seit Neuestem gemäß § 184k StGB das sog. „Upskirting“ (die „Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen“) strafbar. Dadurch wird die Fertigung von Aufnahmen der Genitalien, des Gesäßes, der Brust sowie der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche pönalisiert, wenn die entsprechenden Stellen eigentlich gegen solchen Anblick geschützt sind.

Inzwischen gibt es schon wieder ein neues Thema: das Catcalling. In einer Petition fordert eine Studentin, dass Catcalling in Deutschland strafbar werden solle.[1] In Frankreich, Belgien, Portugal und den Niederlanden gibt es bereits Straftatbestände geben, die auf das Phänomen des Catcallings abzielen. Deshalb fragt sich, ob diese Normierungen Vorbildcharakter haben oder eher abschrecken sollten, d.h. ob Deutschland das Catcalling verbieten sollte.

Was ist Catcalling überhaupt?

Der Begriff „Catcall“ bezeichnete laut Oxford Dictionary ursprünglich eine Art Pfeife oder Quietschinstrument, um Missbilligung in einem Theater auszudrücken. Heute wird in der Umgangssprache mit Catcalling gemeint, dass Männer Frauen Kommentare über ihren Körper zurufen, Hinterherpfeifen, oder sonstige „verbale sexuelle Belästigungen“ begehen. Beispiele könnten sein: „Was für ein geiler Arsch. Da muss ich ran!“, „Nice Ass!“, oder „Na Süße, heute schon was vor?“.

Strafrechtliches Umfeld – bereits strafbare Sexualdelikte

Im Folgenden soll nun kurz dargestellt werden, welche mit dem Catcall vergleichbaren Handlungen bereits strafbar sind, und unter welche Normen sich der Catcall ggf. bereits subsumieren lassen könnte.

Bereits strafbar ist de lege lata – neben den schwerwiegenderen Delikten wie Vergewaltigung oder sexueller Nötigung – bereits die sexuelle Belästigung gemäß § 184i StGB. Davon umfasst sind belästigende körperliche Berührungen, die in sexuell bestimmter Weise erfolgen. Eine Berührung kann sowohl objektiv als auch subjektiv „in sexuell bestimmter Weise“ sein, wobei es allerdings nicht ausreicht, dass die Handlung allein nach der subjektiven Vorstellung des Täters sexuellen Charakter hat.[2] Eine sexuelle Belästigung liegt nicht vor, wenn die betroffene Frau in die vorgenommene Handlung eingewilligt hat. Ebenso wenig liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn dadurch bei der angesprochenen Person nur Vergnügen oder Verwunderung ausgelöst wird. Nicht ausreichend sind vor allem alltägliche Handlungen, wie jemanden in den Arm zu nehmen oder auf die Wange zu küssen. Keinesfalls erfasst sind nur verbale Einwirkungen.

Des Weiteren gibt es den Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB. Dieser erfasst ehrverletzende Äußerungen bzw. Handlungen im Allgemeinen. § 185 StGB umfasst Tatsachenbehauptungen und Werturteile. Diese müssen ehrverletzend sein, also die Kundgabe einer Nicht- oder Missachtung darstellen. Voraussetzung ist weiterhin, dass sich der Täter des objektiv ehrverletzenden Charakters der Äußerung bewusst ist. Dies wird bei vielen Catcalling- Fällen nicht so sein; es wird vielmals schon objektiv keine Ehrverletzung vorliegen. Die Kundgabe sexuell motivierter Äußerungen stellt nicht per se eine Ehrverletzung dar; das Rechtsgut der Ehre ist nicht gleichzusetzen mit der Personenwürde oder der Persönlichkeitssphäre.[3] Eine ehrenrührige Herabwürdigung kann angenommen werden, wenn die adressierte Person als jemand dargestellt wird, mit der man „so etwas ohne weiteres machen kann“, d.h. als jederzeit zur Verfügung stehendes Lustobjekt zur Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen.[4] Wo im Einzelfall die Grenze zu ziehen ist, erscheint derzeit noch nicht ganz klar. Die Kundgabe kurzer, sexuell motivierter Äußerungen, mit der die Durchführung geschlechtlicher Praktiken angetragen wird, soll nach der Rechtsprechung nicht ausreichen, solange nicht „weitere Umstände“ hinzutreten.[5] Solche Umstände sollen aber dann gegeben – und damit die Grenze zur Beleidigung überschritten – sein, wenn dem Gegenüber Geld geboten wird, obwohl die anbietende Person keinen Anlass hätte, ihr Gegenüber als käuflich zu erachten; dies bezichtige die adressierte Person sinngemäß der Prostitution.[6]

Im Übrigen scheidet bei verbalen Äußerungen § 185 StGB jedenfalls dann aus, wenn etwas objektiv keine Ehrverletzung darstellt, auch wenn es zu subjektivem Missempfinden führt.

Die Beleidigung gemäß § 185 StGB stellt ansonsten keinen Auffangtatbestand für schwerwiegendere Sexualdelikte dar. In Bezug auf sexuelle Handlungen haben die Sexualdelikte abschließenden Charakter (das 4. StRG diente der Entlastung des Beleidigungsstrafrechts, und eine Präzisierung der Tatbestandsumschreibung war auch rechtsstaatlich geboten). Es kann aber außerhalb der bloßen Kundgabe sexueller Motivation auch der Tatbestand der Beleidigung weiterhin verwirklicht werden; erforderlich ist dazu, dass es nicht um den Geschlechtsverkehr selbst, sondern um Begleitumstände geht. [7]

Um abschließend noch ein weiteres aktuelles Thema aufzugreifen, das – im Gegensatz zu Catcalls – bereits strafrechtlich erfasst ist: Auch das Versenden sog. „Dick-pics“ ist regelmäßig strafbar, und zwar nach § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB. Eine pornografische Fotografie im Sinne der Norm liegt vor, wenn es einer sexuellen Intention folgt, den Betrachter also erregen soll. Dies wird in der Praxis jedenfalls bei Fotos von Genitalien angenommen, während Oben-Ohne-Fotos nur als erotische Darstellungen eingestuft werden. Das Versenden pornografischer Fotographien ist strafbar, wenn das Gegenüber die Versendung nicht explizit gewünscht und dem auch nicht zugestimmt hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, droht dem Täter in der Regel eine Geldstrafe (der Strafrahmen reicht bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe).

Sollte Catcalling strafbar sein?

Nun wissen wir also, was in Deutschland strafbar ist. Das Catcalling stellt keine sexuelle Belästigung gemäß § 184i StGB dar, und wird regelmäßig mangels einer objektiven Ehrverletzung auch keine Beleidigung i.S.v. § 185 StGB darstellen. Sollte also, ähnlich wie in anderen Ländern, ein weiterer Straftatbestand geschaffen werden?

Diese Entscheidung ist im Wesentlichen eine politische. Es lassen sich aber auf verschiedenen Ebenen Gründe finden, die gegen die generelle Strafbarkeit von Catcalling unterhalb der Schwelle der Beleidigung sprechen.

Argument 1: Rechtsunsicherheit

Die Schaffung eines Catcalling-Tatbestandes würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Da Annäherungen nicht generell zu missbilligen sind, würde es letztlich vom subjektiven Empfinden der adressierten Person abhängen, ob ein strafbewehrtes Verhalten vorliegt oder nicht.

Darüber hinaus könnte zumindest bei längeren Interaktionen von der angesprochenen Person gefordert werden, Nein zu sagen bzw. auf irgendeine Art und Weise zum Ausdruck zu bringen, etwas nicht zu wollen.

Die Verunmöglichung von Flirts wird von den meisten Leuten nicht gewollt sein. Auch Frauen flirten gerne, das zeigen Filme wie „Sex and the City“, Formate wie „Der Bachelor“, oder die Beliebtheit der App „Tinder“. Die Abgrenzung von erwünschtem Flirten und nicht erwünschtem Catcalling würde in der Praxis Schwierigkeiten bereiten. Der Begriff Catcalling müsste überhaupt erstmal näher definiert werden. Wenn davon etwa sogar Komplimente umfasst sein sollen, wäre der entsprechende Tatbestand geradezu ausufernd.

Letzten Endes besteht bereits eine Grenze, die den Ansprüchen der Rechtssicherheit genügt, die Flirts nicht verunmöglicht, aber gleichzeitig auch strafwürdiges Verhalten sanktioniert: Diese Grenze ist erst überschritten, wenn eine Beleidigung gemäß § 185 StGB vorliegt.

Argument 2: Bloßes Unwohlsein genügt nicht

Das Strafrecht verfolgt nicht präventive, sondern repressive Zwecke. Das zu Gunsten eines eigenen Catcalling- Tatbestandes oftmals angeführte Argument, bei sexuell motivierten Äußerungen bekämen die adressierten Frauen oftmals Angst vor Vergewaltigungen, ist eher im präventiven Bereich relevant.

Hinzu kommt, dass in vielen Fällen durch die Äußerung selbst keine Beleidigung verwirklicht sein wird (s.o.).

Zur Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB entwickelte Wertungen zeigen auch, dass die Schaffung eines weiteren Straftatbestandes nicht geboten ist: Dort wird eine „körperliche“ Misshandlung vorausgesetzt. Eine Körperverletzung liegt dementsprechend nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der Körper in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt wird.[8] Das Erzeugen von Angst, Ekel, Abscheu oder generell emotionalen Reaktionen, Gemüts- oder Erregungszuständen genügt dazu nicht.[9] Hinzu kommt, dass bei der Körperverletzung sowohl in der Variante der Gesundheitsschädigung als auch in der Variante der körperlichen Misshandlung vorausgesetzt wird, dass eine Erheblichkeitsschwelle überschritten wird.

Diese Parallelbetrachtung zeigt, dass das Herbeiführen von bloßem Unwohlsein noch keine strafrechtlich relevante Rechtsgutsverletzung darstellt.

Argument 3: Eigenverantwortung

Gedanklich zu trennen sind stets die gesellschaftliche Ebene und die individuelle Ebene. Auf gesellschaftlicher Ebene zu regeln sind in Bezug auf das Strafrecht letztlich nur solche Taten, von denen Eingriffe in (grund-)gesetzlich relevante Rechtsgüter zu erwarten sind. Das wäre etwa der Fall, wenn die Ehre oder die körperliche Unversehrtheit betroffen wären. Indes ist beides regelmäßig beim Catcalling nicht der Fall (abhängig natürlich vom konkreten Einzelfall, v.a. eine Beleidigung kann denkbar sein).

Das Ansprechen von Frauen ist auch nicht generell zu missbilligen, nicht einmal wenn die adressierte Frau auf ihre körperlichen Attribute angesprochen wird. So würden die meisten Frauen es wohl im Rahmen eines Dates begrüßen, wenn ihnen ein Kompliment über ihre Augen gemacht würde. Das Gleiche kann im Einzelfall auch für andere Körperteile gelten. Eine Strafnorm dahingehend zu individualisieren, dass es auf das subjektive Empfinden der adressierten Person im Einzelfall ankommen soll, ist ebenfalls nicht praktikabel.

Auch wird im Rahmen eines Kennenlernens zwischen Mann und Frau zwangsläufig irgendwann der Punkt kommen, an dem eine der beiden Parteien sexuelle Bereitschaft signalisiert, damit sich ihre Beziehung dementsprechend weiterentwickelt. Warum sollte bei derselben Handlung danach differenziert werden, ob sie von einer bekannten oder unbekannten Person begangen wird?

Letztlich sollte es der individuellen Ebene überlassen bleiben, unangenehme Situationen durch eigenverantwortliches Handeln so weit wie möglich zu verhindern. Dass sich solche Situationen nicht immer verhindern lassen, ändert nichts an dieser Wertung. Schließlich gibt es so etwas wie ein allgemeines Lebensrisiko. Wie bereits dargelegt, ist eine strafrechtliche Regelung insoweit nicht geboten. Es gibt auch andere unangenehme Situationen im Leben, die nicht strafrechtlich sanktioniert werden, beispielsweise wenn Leute sich unfreundlich oder egoistisch verhalten. Auch ist die Äußerung von Meinungen bis zur Grenze der „Schmähkritik“ erlaubt.

Zudem kann eine Frau im Einzelfall eine Avance vielleicht auch schlicht gelassen und charmant abwehren. Immerhin liegt es auch am Empfänger einer Botschaft, wie er diese aufnimmt.

Fazit

Catcalling ist ein relativ unbestimmter – zudem noch anglizistischer – Begriff, der erstmals in einen konkreten Tatbestand gefasst werden müsste. Hierbei würde es wohl einige Schwierigkeiten bereiten, zu missbilligendes Verhalten von nicht zu missbilligendem Verhalten zu trennen. M.E. wäre dies geradezu unmöglich.

Nach bisheriger Rechtslage kann das Catcalling eine Beleidigung gemäß § 185 StGB verwirklichen, wenn die adressierte Person als reines Lustobjekt bzw. als käuflich dargestellt wird.

Im Übrigen ist die Schaffung eines eigenen Tatbestandes nicht geboten. Dies würde ansonsten zu erheblichen Unsicherheiten im Alltagsleben führen, und dies wiederum würde auch zu Rechtsunsicherheit führen, wenn die entsprechenden Fälle vor Gericht kommen. Auch begründet ein bloßes Unwohlsein der Geschädigten keine Strafbarkeit.

Zudem ist nicht jedes Verhalten, das nicht verboten ist, erwünscht. Umgekehrt muss auch nicht alles, was nicht erwünscht ist, von Gesetzes wegen sanktioniert werden.

Die bestehenden Bewegungen, die sich mit Feminismus, oder aktuell auch speziell mit männlichem Sexualverhalten beschäftigen („#Metoo“), dürfen nicht dahingehend übertrieben werden, dass männliches (Sexual-) Verhalten generell in den strafbaren Bereich gerückt wird bzw. dass jeder Mann erstmal unabhängig von seinen Absichten und seinem konkreten Verhalten unter Generalverdacht steht.

Bevor man sich mit dem Phänomen des Catcallings beschäftigt, sollte man zunächst die möglichst umfassende strafrechtliche Erfassung schwerwiegenderer Sexualdelikte avancieren, sowie die tatsächliche Verfolgung dieser Delikte ermöglichen. Aus solch schwerwiegenden Delikten ist bspw. die „#Metoo“- Bewegung überhaupt erst entstanden. Bei derartigen Delikten entstehen erhebliche Traumata als Folge für die Geschädigten. Damit ist ein Unwohlsein aufgrund eines Catcalls gar nicht vergleichbar.


[1] https://www.openpetition.de/petition/online/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein; Stand: 28.01.2020.

[2] BGH, Urteil vom 13.03.18 – 4 StR 570/17.

[3] BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, Rn. 15 (juris), zit. nach Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, „Catcalling“ als strafrechtlich relevante Beleidigung, WD 7 – 3000 – 115/20, S. 5.

[4] BGH, Urteil vom 19. September 1991 – 1 StR 509/91, Rn. 5 (juris) sowie OLG Hamm, Urteil vom 27. November 2007 – 3 Ss 410/07, jeweils zit nach Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, „Catcalling“ als strafrechtlich relevante Beleidigung, WD 7 – 3000 – 115/20, S. 6.

[5] BGH, Beschluss vom 02. November 2017– 2 StR 415/17, zit. nach Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, „Catcalling“ als strafrechtlich relevante Beleidigung, WD 7 – 3000 – 115/20, S. 6.

[6] BGH, Urteil vom 19. September 1991 – 1 StR 509/91, Rn. 5 (juris), zit. nach Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, „Catcalling“ als strafrechtlich relevante Beleidigung, WD 7 – 3000 – 115/20, S. 6.

[7] In BGH, Urteil vom 14.05.86 – 3 StR 504/85 heißt es zur Begründung, es könne keinen Unterschied machen, ob jemand als „Dirne“ bezeichnet wird, oder ob eine entsprechende Missachtung durch (Sexual)Verhalten zum Ausdruck gebracht wird.

[8] BGH NstZ 2016, 27.

[9] Vgl. BGH NstZ 2015, 269.

Nikolas Brockow
Der Autor hat an der Philipps- Universität Marburg seine erste juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt und beendete im Jahr 2020 seinen Vorbereitungsdienst am Landgericht Düsseldorf.

2 Comments

  1. Sarah sagt:
    15. März 2021 um 15:05 Uhr

    Leider ein extrem subjektiver Beitrag. Der Autor vergleicht quasi Äpfel mit Birnen in dem er Parallelen zwischen verbaler sexueller Belästigung und einem Date, Tinder, und co. zieht. Der große Unterschied liegt darin, dass ein sexuelles Kennenlernen auf Tinder oder beim Bachelor einvernehmlich ist. Bei einem Catcall auf offener Straße wird dem Opfer nicht einmal Gelegenheit gegeben seinen entgegenstehenden Willen zu äußern. Dass das gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die damit einhergehende Objektivierung gegen die Ehre geht ist nicht von der Hand zu weisen. Ja, einen Tatbestand gegen Unhöflichkeiten darf es nicht geben, aber bloße Unhöflichkeiten sind klar abzugrenzen vom Catcalling.
    Es ist absolut anmaßend und tatsächlich ekelerregend, das als „allgemeines Lebensrisiko“ darzustellen und mit „es gibt auch andere unangenehme Situationen“ zu begründen. „Zudem kann eine Frau im Einzelfall eine Avance vielleicht auch schlicht gelassen und charmant abwehren. Immerhin liegt es auch am Empfänger einer Botschaft, wie er diese aufnimmt.“ – und damit wird das Problem immer wieder auf der Opferseite gesucht, anstatt beim Täter. Selbes gilt für die Frage nach dem Outfit einer Frau nach einer Vergewaltigung.

    Bitte informieren Sie sich intensiv über solch sensible Themen, bevor Sie so etwas veröffentlichen.

    Antworten
    • Nikolas sagt:
      12. April 2021 um 13:13 Uhr

      Hallo Sarah,

      danke für deine Rückmeldung.

      Ich möchte klarstellen, dass auch ich Catcalling in vielen seiner Ausprägungen, sowie generell übergriffiges Verhalten missbillige. Auch wenn ich dies in meinem Beitrag nicht so deutlich erwähnt haben sollte, habe ich dies doch stillschweigend zu Grunde gelegt. Es geht mir also keinesfalls darum, Catcalling gutzuheißen oder zu rechtfertigen. Auch bei der Frage nach dem Outfit einer Frau nach einer Vergewaltigung bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich verfüge durchaus über so etwas wie Empathie, und kann daher auch Ihren emotionalen Kommentar nachvollziehen. Umso mehr empfinde ich es als beleidigend, wenn Sie mir scheinbar anderes unterstellen.

      Ich glaube aber auch, dass Sie meinen Beitrag ein Stück weit missverstanden haben. Es geht in Selbigem lediglich um die Frage, ob im StGB ein Catcalling- Straftatbestand geschaffen werden sollte. Es geht dagegen nicht darum, das Phänomen des Catcallings im Allgemeinen zu bewerten. In diesem Kontext sollte der Beitrag gesehen werden. In diesem Rahmen stellt sich auch die Frage, wie sich Catcalling überhaupt im Einzelnen darstellt. Sie verweisen zwar darauf, dass Catcalling klar von bloßen Unhöflichkeiten abzugrenzen ist, bleiben dabei im Übrigen aber auch recht vage. Wenn Ihnen etwas Konkretes vorschwebt, können wir gerne auch hierüber näher diskutieren.

      Ich gebe Ihnen darin Recht, dass es einen Unterschied macht, ob eine Avance einvernehmlich geschieht oder nicht. Problematisch ist aber, dass dies oft nur ex post festgestellt werden kann, und es zudem auf die subjektive Sicht der angesprochenen Person ankommt.

      Ich möchte jetzt nicht irgendwelche Theorien über Strafzwecke vertiefen. Es stellt sich aber doch auch die Frage, ob Catcalling- Opfern damit geholfen wäre, wenn die Täter eine Geldstrafe bekommen, oder ob dies nur die Staatskasse aufbessert. Gleichzeitig würde Rechtsunsicherheit geschaffen, da strafwürdiges und strafunwürdiges Verhalten rein objektiv wohl nicht trennscharf abgegrenzt werden könnten. Nach derzeitiger Rechtslage ist Catcalling in vielen Fällen auch bereits als Beleidigung strafbar, während Catcalling bspw. in Frankreich lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Es wäre doch auch besser, Catcalling bereits präventiv zu vermeiden, statt erst darauf reagieren zu müssen.

      Nach alledem scheint die von mir vertretene Meinung, dass ein neuer Straftatbestand nicht geschaffen werden sollte, durchaus vertretbar. Vergleichen Sie hierzu auch folgenden guten Artikel: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/catcalling-stgb-strafrecht-sexismus-petition-bgh-ordnungswidrigkeit-frankreich/.

      Ich gebe zu, dass die von Ihnen angeführten Zitate isoliert betrachtet recht unglücklich wirken können. Jedoch bitte ich auch hier den Kontext zu beachten: Es handelt sich lediglich um einen Mosaikstein meiner Argumentation zur Frage der Schaffung eines Straftatbestandes, der sich unter dem Oberbegriff „Eigenverantwortung“ zusammenfassen lässt.

      Täter und Opfer sind rechtstechnische Begriffe, die außerhalb von Strafverfahren keinen Nutzen haben. Im alltäglichen Leben ist der Begriff „Verantwortung“ passender. Diese möchte ich keinesfalls einseitig auf die „Opfer“- Seite verlagern.

      Der Punkte sollte nur sein, dass aufgrund der Weite eines möglichen Catcalling- Tatbestandes bestimmte Einzelfälle denkbar sein könnten, in denen auch die angesprochenen Personen eine Teil- Verantwortung tragen. Abstrakt betrachtet ist es ja, wenn mehrere Personen beteiligt sind, nicht abwegig, dass auch mehrere Personen Verantwortung tragen. Sie haben Recht, dass dies nicht dahingehend verstanden werden sollte, dass bestimmte Verhaltensweisen von Frauen „einladend“ sind. Dies lehne ich analog zum Fall der Kleidung und der Vergewaltigung ausdrücklich ab. Ehrlich gesagt habe ich an dieser Stelle vielleicht auch etwas zu abstrakt gedacht, ohne einen konkreten Einzelfall im Sinn zu haben.

      Dass die angeführten Textstellen bei richtiger Einordnung objektiv ekelerregend sind, glaube ich nicht. Insoweit würde ich mir von Ihnen trotz vereinzelt unglücklicher Formulierungen meinerseits mehr Sachlichkeit wünschen.

      Ihrer Bitte, mich ausreichend zu informieren, war ich bereits in vorauseilendem Gehorsam nachgekommen.

      Alles in allem: Insgesamt bleibe ich bei dem von mir gefundenen Ergebnis. Wenn aber einzelne Stellen missverständlich oder zu flapsig formuliert sind, bitte ich insoweit um Verzeihung. In der Tat handelt es sich um ein sensibles Thema. Das macht es auch für mich schwierig. Insofern würde ich auch Sie in der weiteren Diskussion um (noch) mehr Sachlichkeit bitten, wenngleich ich Ihre Reaktion ein Stück weit nachvollziehen kann und meinen Anteil daran anerkenne, insbesondere bezüglich der von Ihnen zitierten Stellen.

      Ich hoffe, ich konnte für mehr Klarheit sorgen, und das Ganze vielleicht sogar ein bisschen befrieden.

      Liebe Grüße

      Antworten

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